06.05.2022
Nach SONNENALLEE (1999) und NVA (2005) vollendet der vielfach preisgekrönte Regisseur und Drehbuchautor nun mit Leander Haußmanns STASIKOMÖDIE seine DDR-Trilogie. Dass sein Name mit im Titel steht, war Haußmann durchaus wichtig. Man könnte es als Eitelkeit bezeichnen – zumindest tut das Haußmann selbst: „Natürlich. Wenn ich bescheiden wäre, würde ich nicht beim Film sein. Ich kann nicht vor meiner Bude stehen, die Glocke schlagen und ‚Hereinspaziert‘ rufen und gleichzeitig einen auf ‚ich bin nicht da‘ machen.“
Bloße Aktion aus Eitelkeit ist der Titel aber gewiss nicht, er ist gut überlegt, wie Haußmann erklärt: „Es geht mir darum, dass alles, was ich zu erzählen habe, keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat. Das ist meine Sicht der Dinge. Die Sicht eines Menschen, der da gelebt hat in dieser Zeit, Leander Haußmanns Sicht. Ich bin natürlich auch ein unzuverlässiger Zeitzeuge. Das darf ich sein. Und es gibt noch keinen Film, der sich der Stasi so nähert wie dieser.“
Mit „so“ nähern meint er das Genre des Films. Der Titel verrät es schon: In Leander Haußmanns STASIKOMÖDIE begegnet Haußmann dem Ministerium für Staatssicherheit (kurz: Stasi) auf humoristische Weise. Es ist ein Film über die Guten und die Bösen und vor allem über alle dazwischen, eine Coming-of-Age-Geschichte über Liebe und Freundschaft, eine Abrechnung mit der DDR-Vergangenheit, aber auch ein Spiegel der Gegenwart.
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Externe Daten ladenDie DDR wurde 40 Jahre lang von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) regiert – ohne jemals durch freie, demokratische Wahlen legitimiert zu sein. Ihre Macht konnte die SED durch einen massiven Partei- und Sicherheitsapparat aufrechterhalten. Ein gewichtiger Eckpfeiler dieses Systems war das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), kurz Stasi: innenpolitische Geheimpolizei, Ermittlungsbehörde und Auslandsnachrichtendienst in einem.
In den frühen Jahren der DDR ging das MfS mit offensiver Härte und Brutalität vor: Körperliche Gewalt, willkürliche Verhaftungen und Entführungen aus dem Westen sind nur einige Beispiele. Mit dem Bau der Mauer 1961 verlagerte die Stasi ihre geheimpolizeiliche Praxis zunehmend ins Innere. Die Verfolgung kritischer Menschen sollte so stattfinden, dass es nicht offenkundig wurde. Durch Manipulation und gezielte Gerüchte versuchte das MfS, einzelne Personen oder Gruppen systematisch zu verunsichern, zu isolieren, zu kriminalisieren. Freundschaften wurden zerstört, berufliche Laufbahnen zunichte gemacht, ohne dass die Betroffenen die Hintergründe erkennen konnten. Mit Hilfe sogenannter „inoffizieller Mitarbeiter“ – Menschen in der DDR, die sich bereit erklärten, heimlich mit der Stasi zusammenzuarbeiten – bespitzelte die Stasi die eigene Bevölkerung und versuchte so, Informationen über „staatsfeindliche“ Bestrebungen auszumachen.
Nach dieser Einführung würden wohl nur die Wenigsten Begriffe wie „Komödie“ und „Stasi“ in einem Satz nennen. Haußmann wiederum packt sie sogar in ein Wort. Ein Schritt, der durchaus Kritik und Fragen aufwerfen kann. Dass das Ministerium für Staatssicherheit vor allem für Überwachung und Unterdrückung der DDR-Bevölkerung steht, dessen ist sich auch Haußmann bewusst. Gerade deshalb musste es eine Komödie werden:
„Komödie ist im Großen und Ganzen immer Zersetzung, sie spielt mit der Ernsthaftigkeit und mit dem großen drohenden Zeigefinger, der uns seit unserer Kindheit verfolgt, darüber darf man nicht lachen, und umso mehr ich das höre, umso mehr juckt es mich in den Fingern.“
Haußmann führt fort: „Ich denke, der einfachste Weg, Diktaturen, Autokraten und Geheimdienste zu entlarven, zu entwaffnen und letzten Endes zu besiegen, ist das Lachen. Der Humor und seine Vertreter sind in der Regel immer die ersten, die über die Klinge springen, wenn es der Demokratie an den Kragen geht. Denn die Komödie ist das demokratischste Genre überhaupt.“
Regisseur Leander Haußmann am Set
Die STASIKOMÖDIE ist aber noch mehr als das – sie ist eben Leander Haußmanns STASIKOMÖDIE und wird erst dadurch besonders. Haußmann war es wichtig, einen Film zu machen, der so noch nicht existiert. Kein leichter Anspruch, wenn man einen Blick auf das heutige Kinoprogramm wirft. Zudem bezeichnet Haußmann seine STASIKOMÖDIE als bisher persönlichsten Film. Auch deshalb findet sich viel von Haußmann in den einzelnen Figuren. So zum Beispiel in Protagonist Ludger (David Kross):
„Ludger ist ein schüchterner Typ, wie ich, der nicht nein sagen kann und der Konflikte nicht mag, der sich schnell verliebt und der einen gewissen Schlag bei Frauen hat. Es gibt da die Szene, wenn er zum ersten Mal Besuch von seiner schönen Nachbarin bekommt und schnell die Bücher, die man gelesen haben muss, locker auf dem Teppich verteilt, so dass sie zu sehen sind. Das bin ich. Ich habe mal bei der Verabredung mit einem klugen Mädchen Hegels Kritik der reinen Vernunft auf meinen Nachtisch gelegt und darauf geachtet, dass es schön zerlesen aussieht.“
Antonia Bill (Corinna jung) und David Kross (Ludger jung)
Mit dieser hübschen Anekdote greift Haußmann zugleich einen weiteren, prägenden Aspekt seines Werks auf. Denn seine STASIKOMÖDIE ist auch ein Liebesfilm. Haußmann nennt Vergebung und Liebe als Hauptmotive seines Films – was zunächst vielleicht kitschig klingen mag, es aber gewiss nicht ist, wenn man seinen Worten folgt:. „Ja, das Thema meines Films ist die Liebe. Das ist ein zutiefst romantischer Ansatz, demnach glaube ich tatsächlich, wenn diese Jungs bei der Stasi mehr Liebe und Zuwendung bekommen hätten, wäre alles nicht so schlimm gekommen.“ Auch heute kann man ähnliche Erkenntnisse über Zwischenmenschlichkeit problemlos unterschreiben.
Regisseur Leander Haußmann (li.) mit Darstellern Henry Hübchen und David Kross (re.)
Schon vor Jahren soll Haußmann den Wunsch geäußert haben, eine Komödie über die Stasi zu drehen. Das sagt zumindest Produzent Hermann Weigel. Nun hat sich Leander Haußmann diesen persönlichen Wunsch erfüllt und führt zugleich seine DDR-Trilogie zu einem Ende. Fragt man den Regisseur hat er seine STASIKOMÖDIE für sich selbst gemacht. Vielleicht aber auch doch noch für ein paar mehr: „Und für all die ist er gemacht, die sich gerne gut unterhalten; für die Leute, die so lange warten mussten, bis nach der Sonnenallee endlich wieder Obermeister Horkefeld unsere Ausweise kontrolliert. Für alle, jung, alt, Mitte. Paare und einzelne und alle anderen dürfen auch kommen. Es reicht ein zehnte Klasse Abschluss.“
Leander Haußmanns STASIKOMÖDIE startet am 19. Mai in den deutschen Kinos.