20.06.2022
Simpel ist es sicher nicht, Filme, Serien, Shows oder Events zu produzieren – im Gegenteil. Ein Publikum im Kino oder vor dem Fernseher zu unterhalten, ist aufwendig. Der Abspann eines Kinofilms macht die Dimensionen bewusst. Es erscheint imposant, wie viele Menschen an einer Produktion beteiligt sind: Kostüme, Kulisse, Catering und Co. Wie alles im Alltag verbrauchen diese Posten jedoch Ressourcen. Mit steigender Anzahl an Film- und Fernsehproduktionen vergrößert sich der ökologische Fußabdruck der Filmlandschaft folglich. Das Gute ist, dass innerhalb der Filmbranche seit einigen Jahren an der Umsetzung grüner Maßnahmen gearbeitet wird, um Medienproduktionen nachhaltiger zu gestalten. Werfen wir also einen Blick darauf, wie „grünes“ Filmen schon heute aussehen kann.
Genau lässt es sich nicht sagen, wie sich Film und Fernsehen auf die Umwelt auswirken. Konkrete Zahlen zum ökologischen Fußabdruck der Medienwelt fehlen aktuell noch. Laut Green Consultant Philip Gassmann produziert ein 90-minütiger Fernsehfilm jedoch ungefähr 100 Tonnen CO2. Im Vergleich dazu verbrauchen Berufspendler*innen mit dem Auto im Durchschnitt 1,5 Tonnen CO2 im Jahr. Glücklicherweise gibt es beim Film großes Einsparpotenzial – ganze 30 Tonnen, um genau zu sein.
Die Branche ist bemüht, dieses Potenzial auszubauen. Dafür ist vor allem eine gute Planung notwendig. Zu Beginn eines Projekts kann bereits überlegt werden, an welcher Stelle grüne Maßnahmen angewandt werden können, um Mehrkosten einzukalkulieren. Auf diese Weise entsteht von Beginn an bei allen Beteiligten ein Bewusstsein für nachhaltiges Filmen.
Wie auch im Privaten sind es schon kleine Dinge, die etwas bewirken. Glühbirnen können gegen LED-Lampen getauscht werden und Kostüme geliehen statt neu produziert. Im Catering entsteht weniger Müll, wenn auf Plastikgeschirr verzichtet wird und möglichst regionale, fleischlose Lebensmittel auf den Tisch kommen. Auch größere Posten wie zum Beispiel Strom können optimiert werden. Alternativen bieten hier Ökostromanschlüsse und Akkugeneratoren.
Darüber hinaus verbirgt sich enormes Einsparpotential im Bereich Transport und Reisen. „Grüne“ Hotels, Elektrofahrzeuge und Fahrgemeinschaften sind effektive Mittel, um den CO2-Haushalt zu minimieren. Auch hier greifen bekannte Maßnahmen wie der Verzicht auf Autos. Bei Produktionen der Constantin Film reisen ohne Ausnahme alle im Umkreis von 500 km zu einem Drehort mit dem Zug an. Dreharbeiten auf dem Land können die Umsetzung solcher Maßnahmen jedoch erschweren.
Constantin Film erhält den Grünen Drehpass der FFHSH für SAUERKRAUTKOMA.
Dass eine Produktion schon jetzt erfolgreich nachhaltig realisiert werden kann, zeigt sich an Projekten wie FREIBAD von Doris Dörrie, das im letzten Jahr im Münchner Umland gedreht wurde. Wie schon bei früheren Projekten fungierte Philip Gassmann als Supervisor und Green Consultant der Produktion mit Unterstützung von Judith Niemeyer. Unter Gassmanns grüner Beratung erhielt beispielsweise bereits SAUERKRAUTKOMA den 100. Grünen Drehpass der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH). FREIBAD geht nun noch weiter. Herstellungsleiterin Christine Rothe beschreibt das umfassende Nachhaltigkeitskonzept gegenüber dem FFF Bayern wie folgt:
„Wir sind stolz darauf, dass wir bei dem Doris Dörrie-Kinofilm FREIBAD außergewöhnlich viele nachhaltige Maßnahmen umsetzen können und damit die Mindeststandards des Arbeitskreises GREEN SHOOTING voll erfüllen, wenn nicht sogar übertreffen. Allein die Tatsache, dass 29 von 31 Drehtage in einem einzigen Motiv in der Nähe von München stattfinden, spart gewaltige Mengen Transporte und CO2. Das Hauptmotiv hat zudem eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Wir beziehen also einen Teil der Energie aus Ökostrom und können durch den Einsatz eines neuen Stromspeicher-Anhängers bei diesem Dreh sogar komplett auf Diesel-Generatoren verzichten. Wir haben außerdem beim Catering zwei reine Veggie-Tage pro Woche eingeführt, und die Umkleidekabine, die wir extra für den Dreh gebaut haben, wird dem Freibad erhalten bleiben, so dass wir glücklicherweise auch keine Bauten entsorgen müssen.“
Wie auch bei FREIBAD werden inzwischen immer häufiger Green Consultants zu Rate gezogen. Hinter dem Titel verbirgt sich ausgebildetes Personal, das mit allen Abteilungen der Produktion in Kontakt steht, um CO2-Einsparpotentiale aufzuzeigen und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit im gesamten Team zu etablieren.
Philip Gassmann bietet seit vielen Jahren Hilfe im Bereich grüner Beratung in der Filmlandschaft an. Schon 2013 war er als Creative Director des ersten „Green Studios“ weltweit tätig. Natürlich braucht es mehr als den Einsatz von Green Consultants, um ein Projekt nachhaltig umzusetzen. Dass Bemühungen um Innovation und Weiterentwicklung seitens grüner Berater*innen hilfreich sind, wird jedoch mit Blick auf FREIBAD deutlich, wie Gassmann dem FFF Bayern gegenüber darstellt:
„Der mobile Stromspeicher, der gerade bei den Dreharbeiten von FREIBAD zum Einsatz kommt, ist in unserer Branche weltweit einmalig, da er eine riesige Menge Strom speichern kann und eine gewaltige Menge Strom auf einen Schlag abgeben kann. Damit kann man wirklich ein Set über einen nicht unerheblichen Zeitraum versorgen. Beim aktuellen Constantin-Projekt gibt es nur einen kleinen Feststromanschluss. Durch den mobilen Stromspeicher haben wir aber ständig eine große Reserve, die permanent aufgeladen wird und können somit komplett auf einen Generator verzichten. Diese Hybrid-Lösungen sind die Zukunft und ich freue mich sehr, dass die Constantin Film diesen mutigen Schritt gegangen ist und das einfach mal ausprobiert. Es funktioniert!“
Es zeigt sich, dass sich in der Branche aktuell viel entwickelt, um Produktionen nachhaltiger zu gestalten. Sicherlich werden sich auch in Zukunft weitere Wege auftun, die es einfacher machen werden, die Umwelt zu entlasten und gleichzeitig spannende Film- und TV-Projekte zu kreieren. Wie das bereits heute geht, gibt es ab dem 1. September zu sehen. Dann startet FREIBAD von Doris Dörrie in den Kinos.